Ich war im Arte-Programmbeirat, ich war im ARD-Programmbeirat, in Gremien von SFB und im RBB. Ich habe böse Szenen erlebt, wie man kaltgestellt wurde in den Gremien – das kann es nicht sein. Wenn man sich jetzt in der ARD zur Compliance-Kultur und zur Gremienkontrolle bekennt, ist das löblich, aber es muss dann auch darum gehen, die Kritikresistenz von Programmmachern und Chefredakteuren aufzuweichen, die Kritik aus den Gremien als Nörgelei abbürsten. […]
Ich habe immer wieder erlebt, dass Gremienmitglieder aufstehen und sagen, ich möchte aber, dass mein Verband XY mehr im Fernsehen vorkommt, wir kriegen zu wenig Sendezeit. Das ist nicht Aufgabe der Rundfunkräte! Qua Staatsvertrag sind die Rundfunkräte die Anwälte der Zuschauerinnen und Zuschauer. Sie repräsentieren den Pluralismus dieser Gesellschaft, da darf man keinen Lobbyismus betreiben, weder für Gewerkschaften noch für Sportverbände noch für politische Parteien. …
Es müssen nur die richtigen Leute rein, die auch ein Interesse haben und nicht nur Zeit absitzen. Ich habe Leute erlebt, die sprachen übers Programm und dann stellte sich raus, sie haben das ZDF oder irgendeinen Privatsender gemeint und nicht den RBB. …
Und ich wäre sehr dafür, Rundfunkräte mindestens zwei Amtszeiten im Gremium zu lassen, sie zu schulen, sie auszurüsten, zu qualifizieren und zu professionalisieren, das ist der Dreh- und Angelpunkt für mich. …
Das war leider nicht nur der Verwaltungsrat, wo der alte Vorsitzende offenbar einen Persilschein hatte und schalten und walten konnte, wie er wollte. Die Compliance lag auch im Argen. Die Compliance-Beauftragte machte das nebenbei und war direkt der Intendantin unterstellt. Ein Kardinalfehler. Auch die Revision war nicht mit Sensoren ausgestattet, und wir merken an der Diskussion in der ARD: Das scheint bei einigen Anstalten so zu sein. Aber eine Selbstbedienungsmentalität in der ARD verbietet sich. Die Anstalten werden durch Gelder der Zuschauerinnen und Zuschauer finanziert, sich da selbst zu bedienen über Boni, halte ich für eine Katastrophe erster Güte. Ich denke, der ARD ist klar geworden, dass es eine Krise der gesamten ARD ist und nicht nur des RBB. …
Da müssen die Steine in allen Anstalten umgedreht werden und ich fürchte, man wird in allen Anstalten irgendwas finden. Das zeigt, dass die klassischen Kontrollsysteme wie Compliance, Revision und Wirtschaftsprüfer augenscheinlich entweder auf einem Auge blind waren oder einiges übersehen haben. Die ARD muss der Öffentlichkeit beweisen, dass sie fähig ist, ihren Laden sauberzukriegen. Sie muss eine Reformgruppe in Gang setzen, natürlich mit den Medienpolitikern zusammen, aber sich nicht von denen dominieren lassen; wir sind kein Staatsfunk. Wir müssen klarmachen, die ARD hat die Wucht und den Willen zur Aufklärung.
Dieter Pienkny übernahm mitten in der Krise die Führung des Rundfunkrats des RBB und organisierte die Interimswahl. Jetzt hört er auf – und findet deutliche Worte. …
Dieter Pienkny, sueddeutsche.de, 22.9.2022 (online)