Zitiert: Kommt es nun zur richtigen Reform?

Dass mit den Vorgängen beim RBB die Reformdebatte jetzt ein weiteres Mal vom Osten ausgeht, ist auffällig. Es war in Thüringen, wo durch Untreue beim Kinderkanal ein Millionenschaden entstand. Es war in Sachsen-Anhalt, wo die Regierung eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags blockierte. Es war in Sachsen, wo sich bei Demonstrationen neben sachlicher Kritik auch stumpfer Hass gegen speziell ARD und ZDF etablierte und wo sich in desinteressierten Kreisen der groteske Irrglaube verfestigte, Journalismus sei immer nur ein anderes Wort für Marionettentheater. Es ist also der Osten der Republik, wo der Druck auf das öffentlich-rechtliche System am größten ist – aber auch dessen Chance, mit etwas Mut herauszufinden, wie er besser auf Kritik und eine sich fortwährend wandelnde Gesellschaft reagieren könnte. […]

Bislang liefen die auf Skandale folgenden Debatten jedoch immer gleich. Die Öffentlich-Rechtlichen versprachen mit großer Geste Läuterung und warteten in Ruhe ab, bis unter den Kritikern die ersten Knallchargen auftauchten, die mit oft niederen Absichten gleich das ganze System abschaffen mochten. Dann rückten alle zusammen und schrien laut auf, Hilfe, Hilfe, dies ist ein Überfall auf die Pressefreiheit! Schließlich zeigten die Kritisierten geschickt mit dem Finger auf andere, am liebsten die Landespolitik. Diese müsse den Programmauftrag anpassen, vorher gehe leider gar nichts. Nur ist diese im föderalen System von Bedeutungsverlust bedrohte Landespolitik leider selbst reformbedürftig und klammert sich – gleich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk – an Gewohnheiten und Pfründen, statt unvermeidlichen Wandel offensiv anzunehmen. In der Reformfrage blockieren sich also auch zwei lethargische Systeme gegenseitig. […]

Manches Problem lässt sich nicht schnell beheben, etwa die riesige finanzielle Belastung durch Pensionen und Altverträge. Doch der öffentlich-rechtliche Rundfunk könnte jetzt trotzdem und gerade im druckvollen Osten die Chance ergreifen, nicht ein weiteres Mal über Sachzwänge zu jammern oder jahrelang irgendwelche „Programmreformen“ anzukündigen, von denen außerhalb von Gremien dann kein Mensch je etwas mitbekommt. Er könnte die Chance nutzen, seine mit zig Funkhäusern gerade im Regionalen grotesken Mehrfachstrukturen proaktiv und grundständig zu reformieren, um mehr Budget frei zu machen etwa für echte journalistische Arbeit in der Fläche und für ein Angebot, das die Gegenwart dieses Landes in allen Farben und Formen abbildet.

Cornelius Pollmer, sueddeutsche.de, 19.8.2022 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)