Wenn wir doch wenigstens das eine Bild hätten, das alles zeigt! Das kann Fotografie aber eben zumeist nicht leisten. Das Innehalten, das wir dringend benötigen, um mit den Multikrisen umgehen zu können, muss dort anfangen, wo die Flut der Informationen eintrifft, ausgewählt und dann beschrieben wird. Das betrifft Fotograf:innen, Bildredakteur:innen und andere Journalist:innen. Fotos sollten nicht nach vereinfachten Aspekten ausgewählt werden, egal wie gut die Komposition auch sein mag. Jackpots gehören in Casinos und nicht in seriöse Bildredaktionen.
Stattdessen müssen sich alle Beteiligten die Frage stellen, was – noch mal – für eine Wirkungsmacht ein Bild hat und was es zum Verständnis des Gesamtkontextes beitragen kann. Dies mag absurd erscheinen in einer Welt, in der es eine Flut von Bildern gibt. Aber wer, wenn nicht die Menschen, deren Beruf es ist, Bilder zu machen und zu verstehen, sollte in der Lage sein, wegweisend aufzutreten, um uns allen zu helfen, die Welt der Bilder besser zu verstehen? Wie wir am Wochenende lernen mussten, sind viele dieser Menschen leider dazu nicht in der Lage.
Jörg Colberg, taz.de, 18.07.2024 (online)