Ich vertrete nicht die Auffassung, dass die Medien aus Prinzip immer „dagegen“ sein müssen. Ich beobachte aber, dass die Medien hierzulande im Prinzip immer „dafür“ sind. Denn auch außerhalb von Ausnahmezuständen wie der Corona-Krise ist es die Regel, dass der Journalismus in weiten Teilen eben nicht alles kritisch hinterfragt. Das wäre viel zu teuer. Viel billiger ist es, die Diskussion zwischen etablierten, glaubwürdigen Sprechern in der öffentlichen Arena einfach abzubilden.
Und eben das macht der Nachrichtenjournalismus à la „Tagesschau“ — also jener Teil der Berichterstattung, an den die Anforderung der Objektivität und Neutralität am stärksten gestellt werden. Das schmutzige Geheimnis des vermeintlich objektiven, neutralen Nachrichtenjournalismus ist, dass er in Wahrheit nicht die Welt oder die Wirklichkeit objektiv und neutral abbildet, sondern lediglich den Diskurs der politischen Eliten (gegebenenfalls auch der wirtschaftlichen und kulturellen) über diese Wirklichkeit Gibt es in Krisenzeiten — egal ob Corona oder Ukraine — einen starken Konsens zwischen diesen Eliten, keinen Streit zwischen etablierten Akteuren, der abzubilden wäre, dann ist es auch mit der Kritik im Journalismus nicht weit her.
Und das ist wohl auch ein Grund dafür, dass in der Bevölkerung verschwörungsideologisch aufgeladene und die tatsächlichen Verhältnisse stark verzerrende Vorstellungen über das Geflecht von Politik und Medien herrschen.
Uwe Krüger, Sächsische Zeitung, 22.07.2020, (Paid, online)