In der Bäckerei las Thomas Heise laut vor, was Joe Chialo gesagt hat: „Wissen Sie, die wichtigsten Konsequenzen wären zu ziehen, wenn wir uns überlegen, wie die Jurys besetzt sind. Denn von den Jurys aus werden bestimmte Themen in den Vordergrund gerückt. Von den Jurys aus werden auch bestimme Diskurse angeschoben, bestimmte Filme in den Vordergrund gerückt. Man muss sich angucken, wer Filme auswählen darf.“
Dass er so empfindlich auf Chialos Aussagen reagierte, hat mit den Erfahrungen zu tun, die der 1955 in Ost-Berlin geborene Thomas Heise in seinem Leben gemacht hat. Er ließ das Transkript sinken und sagte: „Entschuldigen Sie, das ist DDR. Das ist eine Bombe. Das geht überhaupt nicht! Damit sind wir gemeint, denn wir haben den Film ja ausgezeichnet. Das ist eine Drohung.“
Er bezog diese Drohung auch auf sich: „Das bedeutet für mich, dass es schwierig wird, Filme zu machen. In der DDR lagen zwischen dem Entstehen meiner Filme und dem Herauskommen mitunter 15 Jahre. Das sehe ich wieder kommen. Ich habe das auch in der Bundesrepublik erlebt, dass ohne Rücksprache Filme geändert, Untertitel weggelassen wurden.“ Er hätte einen Anwalt einschalten können, doch Heise handelte auch im Westen pragmatisch: „Das machst du einmal, und dann wirst du nie wieder beschäftigt.“
Susanne Lenz, berliner-zeitung.de, 30.05.2024 (online)