Ja, nein, vielleicht – und zwar gleichzeitig. Ja, weil die sichtbarsten Meinungsangebote zu oft im linksliberalen Dauertenor und nicht selten auch mit jakobinischem Eifer daherkommen. Nein, weil Nachrichten und Recherchen in der Regel anders produziert werden als Kommentare und Satire. Vielleicht, weil die Aufmerksamkeitsökonomie – die Likes, die Retweets, der Shitstorm – jene Stimmen belohnt, die am schärfsten klingen. Deshalb freue ich mich über jeden Journalisten, der sich aufs Schreiben, Filmen, Senden konzentriert, statt sich in den sozialen Jauchegruben aufzuführen wie der Messias.
Was können ARD und ZDF gegen ihren Linksdrall tun? Als Vorschlag fünf einfache Regeln, die sich alle Senderredaktionen auferlegen könnten:
Erstens bekommt jede meinungsstarke Sendung eine Gegenrede auf demselben Sendeplatz – nicht irgendwann, sondern direkt im Anschluss.
Zweitens werden alle Chefredaktionen und politischen Teamleitungen mit rotierenden Doppelspitzen besetzt, die erkennbar unterschiedliche Weltanschauungen vertreten. Dafür werden aber nicht mehr Leute eingestellt, sondern andere befördert als gewöhnlich.
Drittens sollte nicht nur jeder Meinungsbeitrag klar gekennzeichnet werden – im Umkehrschluss darf auch tatsächlich kein anderer Beitrag Spuren von Meinung enthalten. Zudem hilft es, Quellen offenzulegen und Recherchewege transparent zu erklären.
Viertens könnte die Gästeauswahl in Talkshows vielfältiger sein. Wie wäre es, in jeder Sendung einen Platz per Losverfahren zu besetzen, um die immergleiche Dramaturgie zu durchbrechen?
Fünftens sollte jeden Monat ein unabhängiges Beobachtergremium eine Programmbilanz ziehen – nicht in Gremien hinter verschlossenen Türen, sondern live auf Sendung im Hauptprogramm. Schließlich ist nichts lehrreicher als konstruktive Kritik.
So würde aus dem Vorwurf des Linksdralls eine Einladung zur Differenzkultur. ARD und ZDF wären dann nicht länger die moralische Zentralheizung, die mal überhitzt und mal ausfällt, sondern ein gut gelüftetes Haus: Nachrichten im Erdgeschoss, Meinungen im ersten Stock, Kontroversen im zweiten – und auf dem Dach ein leiser, sturer Windmesser, der anzeigt, woher es gerade zu sehr bläht.
Florian Harms, t-online.de, 08.10.2025 (online)