Vielleicht würde etwas mehr Mut zur Unbequemlichkeit in einem ersten Schritt schon ausreichen, um Verdrängungsängste und Minderwertigkeitsgefühle angesichts der nicht nur smarten, sondern scheinbar auch empathischen Maschinen zu lindern. Eltern freuen sich am meisten über selbstgebastelte Geschenke ihrer Kinder. Weil diese, auch wenn sie vielleicht krumm und klebrig sind, doch eine ganze Menge beinhalten, zum Beispiel einen persönlichen Aufwand, ein Mitfühlen und eine Sorge um den anderen. Vielleicht müssen wir diese Wertschätzung auch gegenüber der Originalität von Ideen zum Ausdruck bringen, anstatt mit der intellektuellen Massenware der KI vorliebzunehmen. Wenn uns ein Mensch wirklich wichtig ist, schenken wir nicht nur Selbstgemachtes, sondern sagen auch Selbstgedachtes.
Im nächsten Schritt müssten wir uns daran erinnern, wofür Sprache und Texte im besten Fall gedacht sind. „Ich schreibe, um herauszufinden, was ich denke“, hieß es bei der brillanten Susan Sontag. Cogito ergo sum, bei Descartes. Wenn wir lesen und zuhören, wollen wir im Idealfall herausfinden, wie jemand die Welt sieht, wer er ist. In den Texten der KI gibt es aber keinen jemand. Dann könnten wir im eigenen Dasein eine neue Souveränität finden, die sich aus der Gewissheit speist, zumindest auf zwischenmenschlicher Ebene nicht zu „schummeln“. Ein Selbstbewusstsein im eigentlichen Sinne, das sich daraus speist, auf die Einflüsterungen der KI-Souffleuse zu verzichten und mehr Mut zum Menschsein zu zeigen, die Dinge selbst zu denken und auszusprechen. Selbst wenn die Wahrscheinlichkeit nicht gering ist, daran zu scheitern.
Michael Moorstedt, sueddeutsche.de, 29.08.2025 (online)