Konstruktiv betrachtet: Im Fernsehkrimi gelingt unseren Öffentlich-Rechtlichen, was im Nachrichtengeschäft lange nicht so gut gelang (und derzeit zu fieberhaften Nachbesserungen führt), nämlich sowohl die größeren und kleineren Metropolen im Blick zu haben, in denen Journalisten, Politiker und Filmschaffende zu wohnen pflegen, als auch die „Provinz“ miteinzubeziehen, in der die Mehrheit der Bevölkerung lebt. Das ist sicher gut. An strukturschwachen Orten freut man sich oft schon während der Dreharbeiten, wenn etwa in der Nebensaison größere Filmteams anreisen. Und oft noch hinterher, da Fernsehkrimis durchaus den Tourismus ankurbeln können (siehe zum Beispiel spreewald.de: „Entdecken Sie die Schauplätze der beliebten ZDF Fernsehserie“).
Vielleicht hilft es sogar mittelfristig beim zunehmend hilflos beschworenen Zusammenwachsen Deutschlands, wenn im oft als „abgehängt“ apostrophierten Görlitz die ARD („Als eine aufgeregte Nonne des Marienthaler Zisterzienserinnen-Klosters den Kommissaren mitten in ihren Mordermittlungen von einem blutigen Schuh berichtet, den sie im Wald gefunden hat…“) und im Erzgebirge das ZDF („Ein Professor für Bergbau wird tot in einem alten Bergwerk gefunden. Wurde ihm das große Lithium-Vorkommen zum Verhängnis?“) jeweils Allerweltskrimis drehen, und das ohne strukturschwache westlichere Regionen wie Ostfriesland oder den Westharz zu vernachlässigen.
Andererseits: Wenn sogar der harmlose Freak Wilsberg auf fast anderthalb Tote pro anderthalb Stunden kommt, liegt die Zahl der Fernsehkrimimorde (in die die deutlich kürzeren, aber nicht weniger rünstigen Vorabendkrimi-Folgen zwischen „SOKO Wismar“ und den „Cops“ aus Ober- und Niederbayern ja auch noch einfließen) unsinnig hoch. … Jeder neunzigminütige Krimi, der nicht gedreht wird, spart weit mehr als eine Million Euro. Eine leichte Verknappung des Angebots könnte Qualität und Quote erhöhen. Und ein schöner Zug hin zum gern beschworenen „Public Value“ könnte darin bestehen, jenseits des „Tatorts“ Krimis reihen- und serienweise vorzugsweise in abgelegen bis „abgehängten“ Provinzorten zu drehen, wo sich die Einheimischen noch freuen.
Christian Bartels, medienkorrespondenz.de, 17.02.2020 (online)
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