Die Filmhistorikerin Heide Schlüpmann erhält die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt. […] Als Heide Schlüpmann 1991 ihre einflussreiche Professur am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität in Frankfurt antrat, hatte sie sich bereits einen noch unentdeckten Kontinent erobert. Ihr Standardwerk „Die Unheimlichkeit des Blicks. Das Drama des frühen deutschen Kinos“ (1989) ist die erste umfassende Studie zum wilhelminischen Kino, das von der Forschung bis in die Achtziger Jahre kaum beachtet worden war. „Kino“ meinte bei Schlüpmann nicht nur die Filmwerke selbst, sondern ebenso das Publikum, die ersten filmpublizistischen Debatten und die wirtschaftlichen und sozialen Kontexte. Geschrieben mit Präzision und Leidenschaft, konnte sie dabei auf das Handwerkszeug zurückgreifen, das sie sich als Kritikerin und Redakteurin von Fachzeitschriften wie „Frauen und Film“ erarbeitet hatte.
Auf weltweite Öffentlichkeit musste sie nicht lange warten. 1990 zeigte das Stummfilmfestival in Pordenone die legendäre Retrospektive „Prima di Caligari“. Vorurteile gegenüber dem vermeintlich minderwertigen Kino der Kaiserzeit zerbarsten, während sich Wunder offenbarten.
Daniel Kothenschulte, fr.de, 15.09.2025 (online)