Zitiert: Exotisches Bild vom Osten

Ausländerfeindlich und enttäuscht – so zeichnen viele Medien Ostdeutsche. Eine Doku über dieses Problem schafft es aber nicht ins ARD-Hauptprogramm. […]

Seit über 30 Jahren berichte ich aus und über Ostdeutschland für verschiedene Medien. Fast immer hatte ich westdeutsche Chefs, selbst wenn die Medien ostdeutsch sind. Bei der Dresdner Morgenpost kamen sie aus Passau, bei der Bild Chemnitz aus dem Ruhrpott. Selbst beim MDR wurde es nicht besser: Der Intendant war in Lindau geboren, mein Chefredakteur in Köln. Die spätere Chefredakteurin kam aus Karlsruhe, der Informationsdirektor aus Münster. […]

Es ist in Ordnung, wenn Westdeutsche beim MDR, dem einzigen Ostsender, die Hälfte der Volo-Plätze und der Chefposten inne haben. Es wäre dann aber fair, wenn auch beim WDR Ostdeutsche in gehobenen Positionen tätig wären. […]

Natürlich kann ein Stuttgarter gute Beiträge beim ZDF in Mainz über Schleswig-Holstein abliefern. Aber einem Hannoveraner bei der ARD in Hamburg dürfte es schwerer fallen, die Lebenswirklichkeit in Sachsen-Anhalt abzubilden. Das liegt daran, dass sich die Lebenswirklichkeiten zwischen ost- und westdeutschen Bundesländern leider noch immer gravierend unterscheiden. […]

Nun hat sich der MDR des Themas „Der Osten in den Medien“ angenommen. Seine sehenswerte 90-minütige Doku heißt „Es ist kompliziert“. […]

Mit der ARD-Programmplanung wäre man „im Austausch“, eine Ausstrahlung im Ersten „erfreulich“. Das bedeutet übersetzt: Die Doku sollte von Anfang an nur im MDR laufen, in der ARD wird sie analog vermutlich nicht zu sehen sein.

Das ist Teil des Problems: Ossis schauen sich im MDR an, was sie schon wissen. Und Wessis bekommen nichts davon mit. Ich habe die Doku mit einer westdeutschen Freundin gesehen: Sie fühlte sich ertappt und fand sie horizonterweiternd. Aber wie in den Chefetagen fast aller Leitmedien dominieren auch in der ARD Westdeutsche: Die Freiburgerin Christine Strobl ist Programmdirektorin, der Westfale Oliver Köhr ihr Stellvertreter und der Münchner Kevin Amour ist Programmplaner. Sie wählten 2024 andere MDR-Dokus für das Erste aus: „Wir waren in der AfD – Aussteiger berichten“, „Trotz und Treue – Das Phänomen Sahra Wagenknecht“ oder „Die große Angst – Zukunft in Ostdeutschland“. Da sind sie: die Stereotype.

Alexander Teske, taz.de, 19.10.2024 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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