Die Wiederholung jedenfalls ist ein Prinzip, das sich das Fernsehen gern zunutze macht. Einerseits ließ sich damit schon immer günstiger Programm füllen. Andererseits ist das heute für nahezu jedermensch mögliche Herabsaugen von Filmen, Shows, Fotos und Artikeln aus der Großen Wolke eine Individualisierung der Wiederholung. Die Mediatheken sind geradezu Kathedralen der individuell steuerbaren Wiederholung, was im Übrigen auch für Streamingdienste, Youtube oder Websites von Zeitungen und Zeitschriften zutrifft. Gewiss, man findet dort auch manches „Neue“. Aber vor allem lässt sich sehr viel abrufen, was es schon zwei Tage, zwei Monate oder zwanzig Jahre lang gegeben hat. Der nächste Schritt muss so aussehen, dass sich die im Gehirn gespeicherten Erinnerungen an das Leben digitalisieren lassen. Dann muss man sich bald nicht mehr das Singspiel 2017 ansehen, sondern kann, gehüllt in einen Virtual-Reality-Ganzkörperanzug, schöne oder weniger schöne Teile des Lebens wiederholen. Die digitale Reinkarnation ist nur noch eine Frage der Zeit.
Streiflicht, sueddeutsche.de, 23.02.2021 (online)