Wenn das aber allein darauf hinausläuft, die Nutzer dort „abzuholen“, wo sie sind und sie nicht im Sinne eines Bildungsauftrags auch in das Unbekannte mitzunehmen, führt das zwangsläufig zur Verflachung des Programms. Ausdruck dieser Tendenz ist der von rbb und WDR eingeführte „erweiterte Kulturbegriff“. Als ob es jetzt Aufgabe der Sender wäre, zu definieren, was Kultur ist. Das ist eine maßlose Selbstüberschätzung.
Der Kulturbegriff steht nicht im Belieben derjenigen, die die Sender organisieren. Fachkundige und erfahrene Moderatoren werden bevormundet und zum Beispiel angehalten, möglichst „emphatisch“ rüberzukommen, Rückblicke in die Geschichte zu vermeiden und tunlichst „nach vorn“ zu blicken. Zuviel Fachkompetenz stört, wird ihnen von kulturfernen Managern gesagt. Wir erleben Tendenzen, Hörer und Zuschauer durch Weichspülen anspruchsvoller Inhalte zu gewinnen. Damit aber sind die Sender auf dem Weg, sich den Ast abzusägen, der sie hält.
Im Bereich der Kultur haben wir Kulturleute den Eindruck, dass sich die Sender mitunter gar nicht bewusst sind, welche Rolle Kunst und Kultur für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft spielen. Die Demokratie braucht die Kunst – und die Kunst braucht die Demokratie. …
Wir haben ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, wie sich die Verantwortlichen in den öffentlich-rechtlichen Medien die Umsetzung ihrer Ziele im Einzelnen vorstellen und welche Auswirkungen dies hat. Erst in der Art und Weise der Umsetzung wird das Ziel deutlich. Wir möchten, dass die Öffentlichkeit beteiligt wird und vor allem auch diejenigen, die das Programm inhaltlich tragen – also die fachlich qualifizierten Mitarbeiter innerhalb und außerhalb der Redaktionen. Die Sender seien daran erinnert, dass sie nicht nur Inhalte vermitteln, sondern auch selbst produzieren.
Gerhart Baum: Worauf es bei der Reform von ARD und ZDF ankommt. faz.net, 16.04.2021 (online)