Zum 80. Geburtstag seiner Zeitung erklärt der SZ-Meinungschef, warum Nachricht und Bewertung strikt getrennt bleiben müssen. Das ist ein falsches Verständnis von Journalismus – und in Zeiten von Trump auch gefährlich, findet unser Autor. […]
Der wichtigste und gleichzeitig notwendig normative Ausgangspunkt für jede Nachrichtenmeldung ist die Entscheidung, aus der unendlichen Zahl an möglichen Themen genau eines auszuwählen und zur Nachricht zu machen. Das ändert sich auch nicht, wenn sich diese Entscheidung an sogenannten Nachrichtenfaktoren orientiert, die selbst bzw. deren Auswahl, Gewichtung und Effektivität wiederum normativ geprägt sind. […]
Grade das betonte Bemühen um bewertungsfreie Ausgewogenheit führt oft zu besonders fragwürdigen Bewertungen. […]
Das Ziel, möglichst wertfrei zu berichten, ist nicht nur überholt, es gefährdet auch die Glaubwürdigkeit des Journalismus. Weil Werturteilsfreiheit unmöglich ist, lässt sich behauptete Ausgewogenheit im Einzelfall immer als falsch nachweisen, weil ja schon Wortwahl oder Fokus einer Nachricht wertend sind. Das liefert auch den „Lügenpresse“-Rufern Munition. […]
Echte Autorität, schreibt Rosen, entsteht nicht aus vermeintlicher Distanz, sondern aus Arbeit: aus Recherche, Faktenprüfung, Kontextwissen, Verlässlichkeit. Glaubwürdigkeit erwächst nicht aus dem leeren Gestus der Neutralität, sondern aus der Fähigkeit, eine komplexe Lage zu verstehen und einzuordnen. […]
Ein Journalismus, der Haltung zeigt, sie reflektiert und offenlegt, ist ehrlicher, demokratischer und letztlich glaubwürdiger als einer, der so tut, als stünde er über den Dingen.
Leonard Dobusch, Übermedien, 08.10.2025 (online)