US-Präsident Trump und konservativ-rechte Blätter schaffen es, die wichtigsten Führungskräfte des britischen Rundfunksenders zum Rücktritt zu bewegen. Das ist unerhört. […]
Es geht um die Zukunft einer der wichtigsten Medienorganisationen der Welt. Und damit um die Kernfrage, die nicht nur für Medien relevant ist, sondern für demokratische Gesellschaften überhaupt: Was ist impartiality, Überparteilichkeit, und wer definiert die Antwort?
Donald Trump? Der Inhaber des prominentesten politischen Amtes der Welt sieht sich selbst jedenfalls als Antwort auf alles, wirklich alles. […]
Der Schnitt in der Dokumentation war schlampig, ein handwerklicher Fehler, der niemals hätte passieren dürfen, schon deshalb, weil er nun Donald Trump die Gelegenheit gibt, sich als Verteidiger der Wahrheit darzustellen, ungeachtet dessen, dass seine Wahrheit meist eine Lüge ist. Die Behauptung aber, die Dokumentation sei einseitig, kann nur aufstellen, wer sie nicht gesehen hat. Und wer allen Ernstes glaubt, Trumps hetzerische Rede hätte nichts damit zu tun gehabt, dass ein Mob das Kapitol angriff. […]
Einer der Gründer von GB News im Jahr 2021 übrigens war Robbie Gibb. Der Mann war Kommunikationsdirektor der Tory-Premierministerin Theresa May und wurde danach vom Tory-Premierminister Boris Johnson in den Vorstand der BBC berufen. Gibb hat Michael Prescott mit der Erstellung des Dossiers beauftragt. Die zurückgetretene Nachrichtenchefin sagte, sie habe längst eine Entschuldigung aufgesetzt, die das Thema gar nicht erst hätte aufkommen lassen, aber „das Board“ habe ihr Schreiben blockiert. „Das Board“ heißt, darin sind sich alle Beobachter und Insider einig: Robbie Gibb.
Das Board ist auch für die Ernennung des neuen Generaldirektors zuständig. Das ist ein Problem, denn der nächste BBC-Chef müsste ein unabhängiger sein, der die BBC verteidigt gegen die Angriffe von rechts. Und der klarstellt, was impartiality heißt: nüchterne, faktenbasierte Darstellung, aber auch Einordnung und Gewichtung. Und nicht unkommentiertes Verbreiten sämtlicher Wahrheitsverdrehungen aus dem Populisten-Lager, besonders aus Washington. Gerade jetzt bräuchte nicht nur das Vereinigte Königreich eine selbstbewusste BBC, die sich nicht politisieren lässt. Sondern wir alle.
Michael Neudecker, sueddeutsche.de, 12.11.2025 (online)

