Ostdeutsche in Chefetagen von Verlagen und Redaktionen muss man dagegen mit der Lupe suchen … Der Fall der Berliner Mauer: Heute scheint das Fernsehkitsch, vor 32 Jahren hieß es Revolution. Menschen forderten Reise-, Meinungs- und Pressefreiheit; wollten lesen, sprechen und streiten dürfen. Schließlich brachte der Druck von unten den Staat oben zu Fall. Ziel war die Reform der DDR – und ihrer Medien. Erst später wurde daraus die deutsche Einheit und eine Medienreform nach westdeutschem Standard. Die Folgen sehen wir bis heute. …
Für Forscher:innen laufen diese Erfahrungen unter dem Stichwort „Ost-Migrantische Analogien“. Das heißt, Ostdeutsche und Migrant:innen erleben in den Medien ähnliche Vorurteile: Beide Gruppen stilisierten sich zu Opfern, distanzierten sich nicht genug vom Extremismus und seien im heutigen Deutschland noch nicht angekommen. Das sind Abwertungen. Man findet sie beispielsweise, wenn „der Osten“ verallgemeinert und durch Statistiken erklärt wird. Oder wenn eine Landtagswahl mit „Der Osten hat gewählt“ betitelt und die AfD als ostdeutsches Phänomen abgestempelt wird. Gesamtdeutsche Probleme werden so auf „den Osten“ abgewälzt und Fragen nach strukturellen Problemen bleiben auf der Strecke.
Die Revolution 1989 steht für den Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In den Medien sieht man diesen Unterschied bis heute. Dabei gehört „der Osten“ als mediales schwarzes Loch nach Schema-F auf den medialen Altmüll – egal wie leicht abrufbar die Stereotype sind.
Mandy Tröger, Berliner Zeitung, 08.11.2021 (online)