Vor fast einem Jahr, ein halbes Jahr, nachdem er für ARD, ZDF und Deutschlandradio sein Gutachten zum Haushaltsbeitrag erstellt hatte, forderte der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf, seinen Kulturauftrag ernster zu nehmen. ARD und ZDF sollten einmal in der Woche die Kraft haben, die Krimisendung um 20.15 Uhr „durch einen Wertimpuls zu ersetzen, der vielleicht 800.000 Zuschauer anspricht und das Wertefundament in unserer Gesellschaft vertieft“, so Kirchhof laut epdmedien.
Die epdmedien (Heft 07/2011) dokumentierte den Vortrag, den der Staatsrechtler am 4. November 2010 beim Mainzer Medieninstitut hielt.
„Der Rundfunk ist bei der Wahrnehmung seiner Medienfreiheit, der Bürger bei Wahrnehmung seiner Informationsfreiheit darauf angewiesen, dass die Unterscheidung zwischen richtig und falsch, zwischen gut und böse gelingt. Im Richtigkeitsanspruch ist vor allem die Breite und Weitsicht der Informationen in Freiheit geboten.
Der Wertungsanspruch verpflichtet auf die kulturellen Grundlagen, aus der Gemeinschaft, Recht, Staat und Wirtschaft erwachsen. Mit der Alternative gut und böse soll nicht der Weg beschritten werden, den Rundfunk zur moralischen Anstalt zu machen. Wohl aber ist eine klare Unterscheidung zwischen Wirtschaftsbetrieb und Kulturbetrieb aufgegeben.
Der Wirtschaftsbetrieb sucht „um jeden Preis“ die Aufmerksamkeit der großen Zahl, bevorzugt deshalb fast ausschließlich emotionsanreizende und emotionsgebundene Sendungen wie Sport, Millionenspiel, Sex und Gewalt.
Der Kulturbetrieb spart derartige Sendungen im Rahmen seines dynamischen, ganzheitlichen Auftrags zur Grundversorgung nicht aus, bettet sie aber in einem gewichteten Gesamtprogramm ein, in dem auch die Kategorien wahr oder unwahr, menschlich oder inhuman, egoistisch und gemeinwohldienlich, maßvoll und unmäßig, gleich und privilegiert in bewusster Rationalität vermittelt werden.
Deswegen sollte zumindest der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinem besonderen Kulturauftrag die Kraft haben, im abendlichen Hauptprogramm einmal in der Woche um 20.15 Uhr die Krimisendung, die acht Millionen Zuschauer erreicht, durch einen Wertimpuls zu ersetzen, der vielleicht 800.000 Zuschauer anspricht und das Wertefundament in unserer Gesellschaft vertieft. Der Rundfunk hat neben dem Diskurs, der Mehrheiten bildet, auch den Dialog zu pflegen, der nach Wahrheit sucht“.