Das Erstarken des Rechtspopulismus ruft Protest hervor. Um die Mechanismen zu verstehen, wie antidemokratisches Denken in den Alltag einsickert, ist es wichtig, Victor Klemperers Betrachtungen über die Sprache des Nationalsozialismus neu zu lesen.
„Nie wieder ist jetzt!“ – wie kaum ein anderes Schlagwort prägen diese Worte das Aufbegehren gegen einen aufkeimenden Antisemitismus und das Erstarken rechten Gedankenguts. Zugleich bezieht sich das „Nie wieder!“ direkt auf die Zeit des Nationalsozialismus, den Holocaust und die Lehren, die man daraus für eine humane, demokratische Gesellschaft ziehen kann. Um solche Lehren ging es dem Romanisten Victor Klemperer, der 1947 eine aufsehenerregende Untersuchung der Sprache des Nationalsozialismus vorlegte unter dem Titel „LTI“ – Lingua Tertii Imperii. Sein Material waren Zeitungen und Zeitschriften, Reden und Bücher und die Alltagskommunikation im Dritten Reich. Sein Ziel formulierte er drastisch: „Man sollte viele Worte des nazistischen Sprachgebrauchs für lange Zeit, und einige für immer, ins Massengrab legen.“
Aber ist denn „Nie wieder!“ wirklich „jetzt“? Lassen sich ähnliche oder vergleichbare Mechanismen auch in unserer Zeit, in unserer Sprache entdecken? Verändern die Rechtspopulisten unsere Sprache und damit unsere Weise, auf die Welt und die Gesellschaft zu blicken? Es gilt, Victor Klemperers „LTI“ vor dem Hintergrund Sprachformen der Gegenwart neu zu lesen.
Janett Haid, geboren 1985, untersucht an der Arbeitsstelle für linguistische Gesellschaftsforschung der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg die politische Sprache. Ihr wissenschaftlicher Fokus liegt dabei auf der Analyse der Formen politischer Kommunikation sowie auf der Untersuchung Sprachstrategien in der politischen Rede.
Deutschlandfunk, Essay und Diskurs, 21.07.2024 (online)