Kika in der Programm-Kritik: „Chi Rho – Das Geheimnis“

von Sabine Scholze

Sabine Scholze war 15 Jahre (bis Januar 2008) Geschäftsführerin des Deutschen Instituts für Animationsfilm.

 

Chi Rho – Eine Zeichentrickserie des KI Ka in dreizehn Teilen

Die Serie Chi Rho nimmt sich auf kindgemäße Weise des „Buchs der Bücher“ an, in dem es die bekanntesten Geschichten und Gleichnisse der Bibel aus Altem und Neuem Testament mit einer actionbetonten und handfesten Rahmenhandlung versieht, um den kindlichen TV-Konsumenten nicht mit allzu schwerer oder langatmiger Kost zu überfordern.

Ein solches Unternehmen verdient erst einmal alle Anerkennung, sind doch die Einflüsse christlicher Religion auf die Herausbildung abendländische Kunst und Kultur sowie auf einen ethisch-moralischen Wertekonsens über die Jahrhunderte immens, wenn auch nicht ad hoc für jeden erkennbar. Wenn sich das Kinderfernsehen eines solchen Themas annimmt, Unterhaltung mit Bildungsauftrag kombiniert, lohnt es sich auf jeden Fall, genauer hinzuschauen.

Begeben wir uns also nicht auf die Spur des Da-Vinci- sondern des KiKa-Bibel-Codes und der funktioniert folgendermaßen:

Der Bibelforscher Professor Petersen bastelt an einer Zeitmaschine, um mit deren Hilfe in die Zeit seines Forschungsgegenstands zu reisen. Das funktioniert nicht auf Anhieb und so hat er Zeit, sich mit seiner Tochter Cora auseinanderzusetzen, die unbedingt mit will. Cora, ein munteres und gewitztes Mädchen, eine gute Identifikationsfigur für die jungen Zuschauer, lässt sich nicht so schnell abwimmeln. Als der Professor durch einen Unfall aus seiner Zeit in die Bibelhistorie fällt, folgt ihm Cora mit Hilfe der nun doch funktionierenden Zeitmaschine nach. Beide befinden sich im Jerusalem der Zeit Jesus wieder. Dort begegnen sie ihrem Gegenspieler Rhel, einem Vertreter des Bösen, der von seinem höllischen Chef mit der Aufgabe betraut ist, die Bibel auszulöschen. Keine Bibel – kein Glauben an Gott! So die Theorie des Satans!

Also versucht Rhel alles, um die Geschichten, in deren Zeit er mit dem Professor reist, zu sabotieren. Keine ordnungsgemäß ablaufende Geschichte, kein Eintrag in die Bibel, die so ungeschrieben bleibt.

Aber da hat er seine Rechnung ohne Cora gemacht, die die Bekanntschaft mit einem gleichaltrigen Jungen (Habib) macht sowie mit einer vierköpfigen Tierband, die immer wenn es passt, leider auch wenn es nicht passt, ziemlich anbiedernde Musik macht. Zu den Sechsen gesellt sich auch noch die Zeitmaschine (c. t. = cubus temporis), die die Form einer goldenen Eule – Ray Harrihausen und seine Sindbad-Eule lassen grüßen -, angenommen hat und auch entsprechende Kommentare zum Bibelverlauf von sich gibt. Dieser Sixpack plus Eule macht es sich zur Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Geschichten ordnungsgemäß ablaufen, was mit jeder Menge Action und Tempo verbunden ist.

Rhel mit dem von ihm gefangenen Professor, der dem Bösen auch dann folgt, wenn er nicht gefangen ist (hier kann man der Dramaturgie nicht ganz folgen!) versucht nun, Cora und ihrem Team zuvor zu kommen, um sein zerstörerisches Werk umzusetzen.

Das ist die Exposition der gesamten Serie. Und jeder Teil beginnt so, dass man in eine bestimmte Geschichte versetzt wird, die zerstört bzw. anders ablaufen soll, was natürlich Cora und ihre Truppe zu verhindern wissen.

Die Konstellation der Figuren ist nun so, dass auf der einen Seite Cora und ihre Crew stehen, immerhin sieben Figuren, ihr Vater, der in der Mitte steht weil, er doch ein rechter Hasenfuß ist und Sorge um seine Tochter hat – Rhel droht immer, dass er Cora an den Kragen will – und letztlich Rhel als Vertreter des Bösen auf der anderen Seite. Damit hat jeder Teil, 24 Minuten lang, die Gelegenheit, neun Figuren ins Spiel zu bringen und was noch schwieriger ist, sie überzeugend charakterlich zu skizzieren und individuell zu animieren. Das kann funktionieren, aber da gibt es ja noch die eigentliche Geschichte, die auch ihre Personnage hat und da ist es durchaus möglich, dass 20 Figuren durch die Story wuseln und der Zuschauer Mühe hat, Personen und Geschehen zu ordnen.

Die Macher mühen sich nicht ohne Erfolg um eine flotte und zügige Inszenierung, aber nahezu alle Episoden kranken daran, dass durch die Vielzahl der Standardfiguren, die ja immer wieder auftauchen, die eigentlichen Helden und Figuren der authentischen Geschichte in den Hintergrund geraten, so dass selbst der bibelfeste kindliche Zuschauer Mühe haben dürfte, die Story überhaupt mit dem Original zu identifizieren. Man hat hier die Substanz der Aktion geopfert. Vorstellbar ist, dass der kindliche Fernsehkonsument, sollte er in der Bibel das Gesehene nachlesen, fragt: „Und wo sind Cora und die Tiere?“.

So kommt es in der Geschichte des Turmbaus zu Babel zu Unverständlichkeiten, sucht man in der Geschichte um Joseph und seine Brüder nach einer einleuchtenden Auflösung, die uns auch die Geschichte vom barmherzigen Samariter schuldig bleibt. Die humanistische Message biblischer Inhalte geht manchmal im Aktionismus unter.

Die überreiche Personnage wirkt sich auch auf die Animation ungünstig aus. So vermag sie über weite Strecken nicht, den Figuren ein individuelles Profil zu geben, es drängt sich der Gedanke auf, dass entweder Zeit oder Geld knapp waren, vermutlich beides. Vor allem bei Verfolgungsjagden, Läufen, Massenszenen agieren die Figuren hölzern und ruckartig. Die Lippensynchronität der Figuren bleibt im Ansatz stecken. Auch die Hauptfiguren wie Cora und Habib bleiben Individualität schuldig, dabei sind sie von der Anlage her bestens geeignete Identifikationsfiguren für ein junges Publikum.

Die gestalterische Seite wirkt professionell, was sowohl Figuren wie Hintergrunddesign einschließt. Dass Adam und Eva vom Aussehen her auch Ken und Barbie sein könnten (vor allem wenn Cora zu Adam „Hey du Schnullerbacke“ sagt), kann man vielleicht großzügig sehen, aber nicht übersehen.

Von den Figuren hätte man sich überzeugendere Antagonisten gewünscht. Der Professor bleibt über manche Strecken blass und ohne Profil. Aber auch Rhel kann man als Bösewicht ab Mitte der Serie nicht mehr ganz ernst nehmen, zu stereotyp ist das obligatorische happy ending. Hier würde man sich retardierende Momente wünschen oder mal einen offenen Ausgang mit der Versicherung, dass die nächste Folge die Auflösung bringt. Letztlich ist eine Story nur immer so spannend, wie es ihre Protagonisten sind.

So ist Chi Rho eine Serie geworden, die das Mainstream-TV wohl gut bedient, auch im Großen und Ganzen professionell gemacht ist, der man aber gerade bei diesem Sujet mehr Substanz in Inhalt und künstlerischer Form gewünscht hätte.

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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