Süffige Straßenumfrage und ein liebliches Jubiläum am Weinberg: In hochpolitischen Zeiten versucht die „Tagesschau“, ihre Zuschauer gefühlvoll abzuholen. Ist das eine gute Idee? […]
Seit einiger Zeit kultivieren ARD und ZDF den Irrglauben, dass die vielen, vielen Menschen, die nach Tagen, in denen sie mit Trash und Unsinn aller Art auf X und Insta durchgespült worden sind, abends keine verlässlichen Einordnungen und Hintergründe genießen möchten. Sondern dass sie sich selbst dabei zusehen wollen, wie sie einem Straßenreporter nicht rechtzeitig ausgewichen sind: „Ja gut, ich sach mal, wohl ist mir beim Blick in die Zukunft nicht.“ […]
Was haben die Zuschauer von dieser Form der Emotionalität und dieser Variante der Authentizität? In einer Sendung, in der einem idealerweise mit kundigem Wissen die Welt erklärt wird. Teuer genug ist das öffentlich-rechtliche System, wieso also kümmert man sich in der knappen Zeit nicht um den Abschnitt des segensreichen Rundfunkstaatsvertrages, der sich auf den Programmauftrag konzentriert? Auf Anfrage heißt es aus der ARD: „Straßenumfragen sind nur sehr selten Bestandteil von ‚Tagesschau‘-Beiträgen. Für repräsentative Umfragen gibt es den ARD-Deutschland-Trend.“ Herzlichen Dank für diese Information.
Gerhard Matzig, sueddeutsche.de, 11.04.2025 (online)