Dokumentiert: Starke Rolle der Kirchen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Dietrich Schwarzkopf rezensierte in der Funkkorrespondenz (37/2013) Christian Klenks Dissertation über „Zustand und Zukunft katholischer Medien“. Anbei Auszüge zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk:

 

„Die katholische und die evangelische Kirche gehören wie die auch jüdischen Gemeinden zu den gesellschaftlich relevanten Organisationen, die in den kollegialen Aufsichtsgremien des Rundfunks vertreten sind (ARD-Rundfunkräte, ZDF-Fernsehrat, Deutschlandradio-Hörfunkrat). Angesichts von 50 Vertretern religiöser Gemeinschaften im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (bei insgesamt 524 entsprechenden Gremiensitzen) kann man, so meint der Autor, von einer „bemerkenswert starken Interessenvertretung“ sprechen. In den Medienräten der Landesmedienanstalten, die die kommerziellen Programme kontrollieren, gibt es 38 Vertreter von Religionsgemeinschaften (bei insgesamt 359 Sitzen), also keine geringere Repräsentation.

 

 

Klenk sieht keine Anzeichen dafür, dass die Kirchen aufgrund sinkender Mitgliederzahlen Sitze in den Rundfunkräten verlieren könnten. Die Frage ist, ob künftig Vertreter der Muslime und der Freikirchen aufgenommen werden und, wenn ja, ob zu Lasten der etablierten Kirchen. Bisher gibt es einen freikirchlichen Vertreter im Rundfunkrat des Südwestrundfunks (SWR) sowie einen freikirchlichen Vertreter im Medienrat der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LfK) und einen muslimischen im Medienrat der Bremischen Landesmedienanstalt (Brema).

Das Recht auf selbstverantwortete Verkündigungssendungen (Drittsenderecht) steht bisher den beiden großen Kirchen und den jüdischen Gemeinden zu. Dies spiegele, meint der Autor, die kirchenrechtliche Orientierung der 1950er und 1960er Jahre wider. Nicht zu solchen Sendungen berechtigt sind die Muslime, die in weiten Teilen der neuen Bundesländer einen höheren Anteil an der Bevölkerung haben als die Katholiken. Auch kleine Religionsgemeinschaften werden in puncto Drittsenderecht nicht entsprechend beachtet.

Das Recht auf Sendezeiten zur Übertragung religiöser Sendungen ergibt sich für den privaten Rundfunk aus Paragraph 42 Absatz 1 des Rundfunkstaatsvertrags (Sendezeit für Dritte). Der ZDF-Staatsvertrag regelt diesen Anspruch in Paragraph 11 Absatz 3. Bei der ARD finden sich entsprechende Vorschriften in den Landesrundfunkgesetzen und den Rundfunkstaatsverträgen der Länder. Die Gesetze über den Hessischen Rundfunk (HR) und Radio Bremen enthalten keine Vorschrift über Sendezeiten für Dritte. Tatsächlich nehmen die Kirchen auch bei diesen beiden ARD-Sendern das Drittsenderecht in Anspruch. Der Rundfunkrechtler Günter Herrmann, früherer Intendant des damaligen Senders Freies Berlin (SFB), meint, die „Kirchensendungen“ seien nicht anderen Drittsendungen (Parteiwerbespots, Regierungsverlautbarungen) gleichzusetzen; sie seien eine „Programmart sui generis“.

Das Drittsenderecht beansprucht „angemessene“ Sendezeiten. Dies dürfte bedeuten, dass kirchliche Beiträge nicht auf Sendeplätzen ausgestrahlt werden sollen, auf denen sie nur eine marginale Einschaltquote haben können. Freilich bleibt die „Angemessenheit“ Auslegungssache. Unabhängig davon ist in den Programmgrundsätzen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten festgelegt, dass die Sender Glaubens- und Weltanschauungsfragen im allgemeinen Programm Raum geben müssen. Das gehört zum Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dessen Beachtung das Karlsruher Bundesverfassungsgericht beharrlich einfordert.

Die Programmgrundsätze verlangen eine umfassende, sach- und wahrheitsgemäße Information. Dies schließt nach Expertenmeinung aus, dass nur kirchliche Rand- und Oppositionsgruppen zu Wort kommen und dass die Kirchen durchweg und tendenziös kritisch ins Bild gerückt werden. Ebenso würde eine laizistische Ausblendung des Kirchlichen aus dem Rundfunkprogramm den gebotenen Grundstandard verfehlen. Um Jugendliche erreichen zu können, bedarf es nach Expertenansicht neue Formen der Verkündigung, zum Beispiel des Eingehens auf Anliegen und Sorgen im Alltag, einer besseren Homogenität der Sendungen im Gesamtprogramm und der verbesserten Mitnahme der Zuschauer und Zuhörer zur nächsten Sendung. Die religiösen Sendungen sollen nicht als Fremdkörper in ihrer Programmumgebung erscheinen.

Als erfolgreich erwiesen haben sich Fernsehsendungen des Bereichs Unterhaltung mit Geistlichen in den Hauptrollen (etwa „Um Himmels Willen“, ARD, „Oh Gott, Herr Pfarrer“, ARD, „Mit Leib und Seele“, ZDF). Die Sat-1-Krimireihe „Schwarz greift ein“ mit einem katholischen Pfarrer in der Hauptrolle eines Ermittlers, gespielt von Klaus Wennemann, wurde maßgeblich von der Kirche konzipiert und die Produktion wurde sogar von ihr mitfinanziert. Solche Serien zeichnen bei vielen Deutschen, die nicht religiös sozialisiert und engagiert sind, das Bild der Kirche.

Als Pluspunkte wertet die Untersuchung, dass sich die Serien meist auf das Gemeindeleben fokussieren. Auch wenn sie davon kein realistisches Bild bieten, sei doch der Faktor der mitgelieferten Sympathiewerbung für die Kirche nicht zu unterschätzen. Zwei Drittel der befragten Experten waren der Meinung, dass mit Hilfe solcher Filme und Serien kirchliches Leben gesellschaftlich sichtbar gemacht werden könne. Allerdings werde dabei in der Regel ein klischeehaftes Bild von der Kirche und ihren Vertretern gezeichnet. Die Mehrheit der Experten sieht Religion in der Fernsehunterhaltung als Chance.

Gottesdienste, abwechselnd katholisch und evangelisch, werden vom ZDF seit 1986 jeden Sonntag übertragen. Das Fernsehgemeinschaftsprogramm der ARD sendet sie nur an hohen Feiertagen und bei besonderen Anlässen. Die Zahl der Zuschauer bei Gottesdienstübertragungen ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen, wohl auch, weil der Sonntagvormittag bei den Sendern ein stärker umkämpfter Programmplatz geworden ist und weil sich Gottesdienste gegen parallele Übertragungen insbesondere von Sportsendungen schwer behaupten können. Zuschauer, die im Alter nicht mehr mobil genug sind, in die Kirche zu gehen, nutzen die Fernsehgottesdienste intensiv, junge Menschen werden von ihnen fast gar nicht erreicht. Der Autor macht jedoch darauf aufmerksam, dass trotz der Quotenverluste die sonntäglichen Übertragungen nach wie vor so viele Menschen erreichen wie am selben Tag in den drei größten Bistümern Köln, Freiburg und Münster zusammengerechnet in die Kirche gehen. Das sei dann „Deutschlands größte Gottesdienstgemeinde“.

Das sonnabendliche „Wort zum Sonntag“ im Ersten Programm der ARD gilt als „eine der letzten Bastionen des Erzählens“, aber auch als ein „Dinosaurier des deutschen Fernsehens“. Einer der katholischen Sprecher der Sendereihe kritisiert, bei ihr werde „katholische Verkündigung auf eine Kontrastierung zur sie umgebenden Programmgestaltung reduziert“. Das „Wort zum Sonntag“ – das nach der ARD-„Tagesschau“ die zweitälteste Sendung des deutschen Fernsehens ist – habe einen hohen Bekanntheitsgrad, werde aber zu wenig wahrgenommen. Dabei komme es „pastoral gerade auf eine zunehmende und etablierende Kundschaft-Mentalität an, die Aufbrüche wagt, Neues sucht und Risiken eingeht“. Während die Experten die Kirche im Hörfunkbereich gut aufgestellt sehen, sprechen sich viele von ihnen für das Ausprobieren neuer Formen der Gottesdienstübertragungen im Fernsehen aus. Auch für andere Verkündigungssendungen im Fernsehen werden eine „mutigere Machart“ und „junge Formate“ gefordert.“

Dietrich Schwarzkopf war von 1966 bis 1974 Fernsehprogrammdirektor des NDR, von 1978 bis 1992 ARD-Programmdirektor und von 1991 bis 1994 stellvertretender Präsident des deutsch-französischen Kultursenders Arte. Während seiner Tätigkeit als ARD-Programmdirektor war er unter anderem ARD-Koordinator für kirchliche Sendungen. Von 1992 bis 2010 amtierte Schwarzkopf als Vorsitzender der Historischen Kommission der ARD.

 

Christian Klenk: Zustand und Zukunft katholischer Medien. Prämissen, Probleme, Prognosen. Band 6 aus der Reihe „Religion – Medien – Kommunikation“. Herausgegeben von Walter Hömberg und Michael Schmolke. LIT-Verlag Dr. W. Hopf, Berlin 2013, 414 Seiten, 39,90 Euro.

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