Olympia-Aus: ARD und ZDF drohen, Sportberichterstattung einzuschränken. Doch was wollen sie mit den freien Millionen machen?

„ARD und ZDF droht das Olympia-Aus“, meldet sueddeutsche.de

„Eurosport schnappt ARD und ZDF die Übertragungsrechte für Olympia weg“, heißt es im Kölner Stadtanzeiger.

„Statt an ARD und ZDF vergibt das IOC sämtliche Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele 2018 bis 2024 an Discovery und Eurosport. Die Öffentlich-Rechtlichen wirken schockiert“, berichtet der Tagesspiegel.

„Discovery erwarb für 1,3 Milliarden Euro die Exklusivrechte für alle Plattformen, einschließlich Free-TV, Abo/Pay-TV, Internet und mobile Endgeräte, in allen Sprachen in 50 Ländern und Gebieten – Ausnahmen bilden nur Frankreich und Großbritannien, BBC und France Television haben bereits Verträge für 2020. Das Unternehmen sendet unter anderem über seine Tochter Eurosport“, so die Berliner Zeitung.

 

„Dem ersten Schreck über die zunächst verpassten Fernsehrechte für Olympia folgte bei ARD und ZDF das große Rätselraten“, berichtet die FAZ.

„Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte bereits 2013 zugunsten des Fernsehzuschauers entschieden, dass Ereignisse von „erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“ im Free TV zu sehen sein müssen – dazu zählen sicher auch Olympische Spiele. Der EuGH schränkte damit die Vermarktungsrechte von Topereignissen ein. Ein Weiterverkauf von TV-Rechten an andere Sender wie ARD und ZDF ist möglich.“ Darauf macht die Süddeutsche Zeitung aufmerksam.

„Aus der Pressemitteilung des IOC geht nicht hervor, was die Rechtevergabe an die internationale Sendergruppe für den deutschen Fernsehmarkt bedeutet. Hieraus ergeben sich Fragen an das IOC und den DOSB“, erklären ARD und ZDF.

Allerdings bleiben sie diese Fragen bisher schuldig. Staat dessen drohen sie den hiesigen Sportverbänden.

 

„Die Berichterstattungsstrategie von ARD und ZDF basierte bislang darauf, Olympia-Sender zu sein und den olympischen Kernsportarten auch in der Zeit zwischen den Spielen ein massenattraktives Programmumfeld anzubieten“, sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. „Ob dies auch in Zukunft sinnvoll erscheint, werden wir in den kommenden Monaten prüfen müssen.“

 

Doch waren diese Übertragungen bisher ein Geschenk an das IOC? Wurde von den olympischen Kernsportarten nicht aufgrund journalistischer und programmlicher Erwägungen berichtet? Warum sollte die Übertragung von nationalen und internationalen Wettkämpfen in olympischen Sportarten auf einmal journalistische nicht mehr sinnvoll sein?

 

Scheitern als Chance

 

Und man kann auch noch weitere Fragen stellen. Welche Chancen bieten sich für ARD und ZDF durch die frei werdenden Mittel. Stehen diese weiterhin der SportA zur Verfügung? Oder werden diese an die degeto transferiert? Oder wandern diese gar an die ARD-Anstalten zurück.

 

Schließlich geht es um nicht wenig Geld. Für die Winterspiele 2010 in Vancouver und die Londoner Sommerspiele 2012 hatten ARD und ZDF jeweils 71 Millionen Euro an Rechtekosten eingeplant. Zu diesen sind noch die Übertragungskosten im zweistelligen Millionenbereich (ca. 20 Mio. Euro für beide Sender) hinzuzurechnen.

 

Wenn man davon ausgeht, dass die ARD so jährlich ca. 50 Mio. Euro spart, dann müssten z.B.

  • der WDR ca. 10,5 Mio. Euro,
  • der SWR ca. 9,1 Mio. Euro
  • der BR ca. 8,2 Mio. Euro
  • der NDR ca. 8,8 Mio. Euro
  • der MDR ca. 5,3 Mio. Euro
  • der HR 3,7 Mio. Euro
  • der RBB ca. 3,3 Mio. Euro
  • der SR 600.000 Euro
  • Radio Bremen ca. 375.000 Euro

 

an Umlage zahlen. Sie könnten die Mittel natürlich auch in andere, eigene Programminhalte investieren, wenn die Mittel aus dem Etat der SportA an die Sender übertragen werden.

 

UPDATE (02.07.2015)

 

„Die Olympischen Spiele werden bald vor allem bei Eurosport zu sehen sein. Damit folgt das IOC einer neuen Medienstrategie: Der Traum vom Imperium“, so die taz.

 

„Der Verlust der TV-Rechte an den Olympischen Spielen geht gegen das Selbstverständnis von ARD und ZDF. Gleichzeitig aber zeigt die Vergabe an den US-Medienkonzern Discovery, dass der Markt funktioniert – sich die Interessen der Rechteverkäufer gleichzeitig verändern. Und unfreiwillig haben die Öffentlich-Rechtlichen nun einen Beleg, dass sie keineswegs um jeden Preis die Milliarden der Beitragszahler für Sportrechte ausgeben“, so Christian Meier auf welt.de. Das IOC wolle einen pan-europäischen TV-Partner, der alle Kanäle bedient, vom klassischen Fernsehen bis zum Mobiltelefon.

 

„Für diesen Kanal brauchte das IOC neue Partner, denn der Plan sieht unter anderem vor, mit den Sendern, die während der Spiele live berichten, intensiv Inhalte auszutauschen. Ein solcher Rückfluss an Olympiaberichten an das IOC wäre mit den Öffentlich-Rechtlichen schwer zu organisieren. Und auch die Idee, vom IOC selbst produzierte Formate auf den Partnerkanälen zu platzieren, ginge mit den Privatsendern leichter. Kurz: Bei den Rechten geht es längst um mehr als die Zeit des eigentlichen Events“ berichtet Daniel Bouhs in der taz.

 

„Will die ARD wirklich die Produktion „aufwändiger nationaler Sportevents“ überdenken, weil der Milliardenkonzern IOC die Unterhaltungsware Spitzensport an eine internationale Entertainment-Company verkauft hat? Wenn ja, sollten sie schnell anfangen mit dem Überprüfen: Auch Fußball ist eine olympische Sportart“, fragt Jirka Grahl im Neuen Deutschland.

 

 

„Was für ein gruseliges Verständnis von Programmgestaltung! Was für ein journalistisches Selbstverständnis! Es sagt ja einiges aus über die ARD, wenn einer ihrer Spitzenfunktionäre es als Aufgabe des Senderverbunds ansieht, Sportverbänden „massenattraktives Programmumfeld anzubieten“. Entweder hat man Interesse an einer „olympischen Kernsportart“, weil man glaubt, sie gehöre ins Programm, oder eben nicht“, stellt René Martens im Altpapier fest.

Onlinefilm.org

Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)