Zitiert: Sind ARD und ZDF noch zu retten?

Das Veränderungstempo, das in den vergangenen Jahren hoch war, wird sich in Zukunft vermutlich weiter steigern. Es ist unwahrscheinlich, dass die Rundfunkanstalten dieses Tempo mitgehen können, wenn sie nicht radikal reformiert werden. Im Lichte solcher Erkenntnisse erscheinen ressentimentgesteuerte Vorschläge von Politikern besonders absurd. Es wäre schon etwas gewonnen, wenn sie, die schon genug in den Fernsehanstalten herumdilettiert haben, einfach mal den Mund halten würden.

Es stellen sich zwei elementare Fragen. Erstens, wollen wir das öffentlich-rechtliche System erhalten? Zweitens, ist es, wenn wir die erste Frage bejahen, in einer Weise reformierbar, die es zukunftsfähig macht? […]

Wie aber lässt sich das System so reformieren, dass ein gesellschaftlicher Konsens wiederhergestellt wird? Dass es den seit geraumer Zeit nicht mehr gibt, dass im Gegenteil die Angriffe immer heftiger und in manchem auch plausibler werden, ist unübersehbar. Nun gibt es seit Jahren zahlreiche Vorschläge, was zu tun sei. ARD-Sender sollen zusammengelegt, ZDF und ARD verschmolzen, Nebenarme gekappt werden. Keiner dieser Vorschläge hat eine Chance, verwirklicht zu werden, weil ihnen politische Interessen entgegenstehen. Die Rundfunkanstalten sind verfassungsrechtlich gesicherte Paradestücke der Länder, niemand wird davon etwas abgeben wollen. Auf die Politik sollte man nicht setzen – die Reform muss vielmehr von innen kommen, und sie muss oben beginnen. […]

Dennoch sollte man begreifen, dass es sich bei den Sendern um hochkomplexe, multiple und nur schwer durchschaubare Einrichtungen handelt, für deren Lenkung und erst recht für deren Reform es junge, flexible, der Schnelligkeit heutiger Entwicklungen gewachsene Medienmanager braucht. Ihnen sollte man einen Vertrauensvorschuss geben, möglichst frei von politischem Einfluss, wohl aber auf der Basis politischer Realitäten. […]

Nirgendwo sonst ist die Kritik an den Rundfunkanstalten so heftig wie in den Sendern selbst. Die Redakteure fühlen sich von oben gegängelt und setzen dem zu wenig Widerstand entgegen. Dabei wäre allein das, ein selbstbewusstes Kämpfen um programmliche Qualität, doch von Mitarbeitern zu fordern, die Kündigungen nicht zu befürchten haben. Sie, die Redakteure, sollten darauf bestehen, dass jeder Euro infrage gestellt wird, der nicht ins Programm fließt. Warum wird eigentlich immer noch gebaut, obwohl der Immobilienbestand der Sender beispiellos ist? Freilich müssen die Redakteure auch liefern. Nicht jede Programmidee muss teuer eingekauft werden. […]

Die seit Jahren anhaltende Kritik am öffentlich-rechtlichen Fernsehen hat ihren eigentlichen Grund in dem katastrophalen Ansehensverlust, den die Sender durch eine von oben verordnete Quotenpolitik nach und nach erlitten haben. Nicht gefällige Sendungen können das ändern. Sondern nur gute. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Zuschauer das nicht wollten. Qualität verlangt freilich die größere Anstrengung. Es muss der Ehrgeiz angestachelt werden, irgendwo auch wieder vorne zu sein, statt immer nur hinterherzulaufen. Das deutsche Fernsehen war einmal Weltstandard. Daran sollte man sich erinnern.

Günter Rohrbach, sueddeutsche.de, 27.9.2022 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)