Einordnung des Geschichtsfernsehens in aktuelle Erfordernisse führt zu politischer Instrumentalisierung

„So stellte Schönenborn für historische Formate vor allem den Bezug zu aktuellen politischen Fragen heraus und hob dabei insbesondere die aufklärende Funktion hervor, die eine historische Betrachtung in der aktuellen politischen Diskussion haben könne. Mit dieser Reduzierung des Geschichtsfernsehens auf eine Art Dienstleistung für das aktuelle Programm wurde er allerdings dem nicht gerecht, was gerade der WDR bisher schon an großen Geschichtsdokumentationen erbracht hat. Und wenn man allein auf die kritisch-aufklärerischen Funktionen abhebt, die eine Geschichtsbetrachtung haben kann, übersieht man auch leicht eine in der TV-Praxis noch viel häufigere Wirkung gegenteiliger Art: dass nämlich Geschichtsfernsehen, gerade wenn es sich unmittelbar auf die politische Aktualität bezieht, oft auch zu politischen Zwecken instrumentalisiert werden kann. Es liefert dann ein zur aktuellen politischen Lage passendes Geschichtsbild, indem komplexe Vorgänge aus vergangenen Zeiten passend zum jeweils angesagten politischen Diskurs vereinfacht werden. …

 

Schönenborns Vorstellungen von der zukünftigen Entwicklung des Geschichtsfernsehens fielen auf dem „Großen History Day“ der Cologne Conference eher bescheiden aus. Er plädierte im Wesentlichen dafür, dass die „angestammten historischen Formate“ ihren Platz behalten sollten, nicht ohne in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die finanziellen Mittel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geschrumpft seien….

 

Peter Schöttler von der Freien Universität Berlin hatte tatsächlich den Mut, das Wort von der „Verkitschung der Geschichte“ in den Mund zu nehmen – er tat es allerdings am Beispiel der ZDF-Reihe „Terra X“, die an diesem Tag in Köln nicht vertreten war. Schöttler warnte in diesem Zusammenhang davor, den historischen Forschungsprozess als Abenteuer wie im Krimi zu inszenieren und vor einer vordergründigen Emotionalisierung etwa unter dem Einsatz von „bombastischer Musik“. Vorstellungen von einer möglichst authentischen Vermittlung historischer Prozesse stehen aber immer im Spannungsfeld zu einem Geschichtsfernsehen, das wahre Geschichten erzählen will, die nicht nur auf Faktentreue setzen, sondern auch auf eine Rahmenhandlung, die den Fakten Sinn und Bedeutung gibt und den Zuschauer fesselt.

 

Brigitte Knott-Wolf, Funkkorrespondenz (34-44/2014)

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