4. Berliner Medienrede mit Peer Steinbrück

23.11.2009

„Die Verantwortung der Medien in der Krise“

Obwohl das Thema nicht mehr brandneu wirkt, weil ihm die Patina der Zeit anhaftet, als der Veranstaltungskalender planerisch gefüllt werden musste, erwiesen sich Themen- und Rednerwahl als durchaus erhellend und befruchtend.

Nach den Spitzenpolitikern Edmund Stoiber, Kurt Beck und Wolfgang Schäuble war für die diesjährige Berliner Medienrede im gut besuchten, dennoch etwas halligen Französischen Dom der Ex-Finanzminister Peer Steinbrück gewonnen worden, als er noch nicht Ex war. Das Dilemma, dass

hier jemand durch die Umstände einer Bundestagswahl geladen war, der eigentlich nichts mehr zusagen hatte, wurde glücklicherweise zu keinem Problem, da Steinbrück dennoch etwas zu sagen wusste.

 

 

 

 

Er brachte zudem den nötigen selbstironischen Witz mit, seine eigene Position des Nurnoch-Abgeordneten in die Rede einfließen zu lassen. Er lobte die Veranstalter verschmitzt für die Weitsicht, dass der besondere Reiz einer solchen unbefangenen, da keinen Zwängen des Amtes mehr gehorchenden Rede darin liege, dass sie so inhaltlich mehr verspreche, als wäre er noch in Amt und Würden. Somit wertete er geschickt seine vermeintlich verloren gegangene Bedeutsamkeit auf. Zudem löste er ein, was er kokett andeutete.

Sein Insiderwissen bis hin zum Eingeständnis der Angst vor dem Kollaps oder wie es Steinbrück formulierte: vor einer “Kernschmelze“, sind interessante Einblicke der Kategorie “wie es wirklich war”. Sie sollten von niemandem ignoriert werden, der die Finanzkrise wissenschaftlich oder journalistisch analysiert und sich ohne auf die Memoiren warten zu wollen auf Quellenmaterial aus erster Hand stützen möchte.

Das eigentliche Thema war jedoch die Rolle der Medien in der Krise aus der Sicht des Politikers, der weiß, dass Politik eine Eigendynamik entfaltet, wenn die Medien ihre Rolle als Mitspieler definieren. Steinbrück lobte die verantwortungsvolle Berichterstattung, um gleichzeitig journalistische Oberflächlichkeit und Ahnungslosigkeit anzuprangern. Überhaupt war die Rede ein Musterbeispiel für dialektisches Denken, in der das Wechselverhältnis von Politik und Medien als Prozess skizziert wurde, in dem es zu symbiotischen Verbrüderungen und gegenseitiger Verachtung kommt. Das alles ist sicherlich nicht neu. Doch wie Steinbrück zwischen Distanz und Betroffenheit hin- und her pendelte, dabei unsinnliche Politikersprache meidend Position bezog, ohne arrogant zu wirken, hebt diese Medienrede aus den bisher im Französischen Dom gehaltenen heraus. Man sollte sich den hier beigelegten Mitschnitt anhören oder den Redetext aufsuchen, der allerdings nicht um die vom Manuskript abweichenden Gedanken bereichert wurde:

http://www.evangelisch.de/themen/medien/steinbruecks-medienrede-im-wortlaut7485

War es Absicht oder Versehen? Das gerade aktuelle Thema der politischen Einflussnahme auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk spielte bedauerlicherweise in der Rede keine Rolle. Dabei hat Steinbrück eine durchaus hörenswerte Meinung. Sie ist im zweiten Audio, als Statement beim Verlassen des Podiums “eingefangen” worden. In einer Situation, die Steinbrück als “Treppeninterview” bezeichnet, wo Reporter versuchen, Politiker zwischen den Terminen aufzulauern, um Ihnen irgendwelche brauchbaren Aussagen zu entlocken.

Der Rede folgte am selben Ort eine Diskussionsrunde (Foto), in der sich Medienpartnerin Katja Marx (Chefredakteurin von hr info) redlich mühte, Peer Steinbrück mit den Wahrnehmungen einer Wirtschaftsjournalistin, Dr. Ursula Weidenfeld und einem Kirchenvertreter, Prälat Dr. Bernhard Felmberg zu konfrontieren. Beide waren der rhetorischen Kraft Steinbrücks leider nicht gewachsen. Unglücklich besonders Weidenfelds Behauptung: “Wir haben früher Pressemitteilungen abgeschrieben, das kommt heute nicht mehr vor.” So wenig Kenntnis vom eigenen Gewerbe nährte leider Zweifel generell an ihrer Urteilskraft.

Diskussionsstoff allemal, auch für einen kleinen Empfang mit Wein und Imbiss für Gäste mit Einladung, die jedoch den Redner vermissten. Jörg Wagner

 

Audio 1:  Medienrede-Mitschnitt (6 Teile)

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Audio 2: „Treppeninterview“ mit Peer Steinbrück

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Fazit:
Wissenswert: *****
Unterhaltungswert: *****
Kontaktwert: **
Ambiente: ***


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